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  • AutorenbildHilge Kohler

Ausprobieren! So geht es auf die virtuelle Bühne


Webinare sind die neuen TED Talks: Die ersten waren neu und spannend, und wir waren froh, dabei zu sein. Jetzt haben wir uns daran gewöhnt und werden verwöhnt; wir erwarten mehr und sind schneller enttäuscht, denn wir haben ja schon Besseres gesehen. Die Zeiten werden härter für Virtuelle Redner*innen - und es geht gerade erst los.


Dabei haben virtuelle Bühnen ihren Reiz. Sie sind Neuland für die meisten und eine herrliche Bühne zum Ausprobieren. Wir können lernen, üben, trainieren - und gemeinsam Erfahrungen sammeln.


Was ist anders auf einer virtuellen Bühne? Können geübte Redner*innen digital so auftreten wie analog? Und worauf sollten Neueinsteiger achten, die noch keine Erfahrung sammeln konnten? Hier einige Aspekte als Anregung zum Weiterdenken.


Was ersetzt die Körpersprache?


Bühnenpräsenz ist das A und O. Aber auf der virtuellen Bühne stehe nicht ich im Mittelpunkt. Das Publikum bekommt meine Folien übertragen, auf denen Text, Bild, Grafik zu sehen ist. Oder wir arbeiten am Whiteboard zusammen. Die Spannung des Vortrags entsteht nicht zwischen mir und Publikum, sondern zwischen einem Bild und seinen Betrachtern. Meine Stimme kommt gleichsam aus dem Off und gibt dem Bild Bedeutung.


Also kann ich mir Mimik und Gestik sparen. Gut zu sehen bin ich eh nicht, und wenn die Übertragungsraten nicht stimmen, produziere ich nur unscharfes Wischwasch auf den Bildschirmen.


Statt in meine Körpersprache investiere ich besser in meine Stimme. Die Stimme lässt sich trainieren und aufwärmen wie Muskeln eines Sportlers; Übungen dafür gibt es zuhauf und sie funktionieren wunderbar. Im virtuellen Vortrag übernimmt die Stimme einen guten Teil der Körpersprache. Ihr hilft es übrigens, wenn ich im Stehen präsentiere.


Welche Bilder sieht das Publikum?


Im Vordergrund stehen meine Folien. Sie treten ins Rampenlicht der Bildschirme, sorgen dort für Spannung und Unterhaltung und fesseln hoffentlich das Publikum. Herkömmliche Folien schaffen das nicht, denn sie sind zu statisch und wirken allenfalls als Hintergrund oder Stichwortgeber. Was soll also auf die Folien für den virtuellen Vortrag?


Für mich geht nichts über Bilder. Im virtuellen Vortrag müssen sie reichhaltig sein, eine Geschichte erzählen und Anknüpfungspunkte bieten, an denen ich meinen Vortrag andocken kann. Idealerweise funktioniert das wie bei einer journalistischen Bildunterschrift: Ich lese meinem Publikum das Bild vor. Das lässt sich lernen und trainieren.


Ein bewegtes Bild wäre toll, aber bei den meisten Übertragungsraten Illusion. Statt dessen kann ich mein Bild schrittweise aufbauen. Mit einigen Klicks kommt Bewegung in die Folien und Abwechslung in meinen Vortrag.


Text ist manchmal unerlässlich. Auf virtuellen Bühnen muss er länger sein als im physischen Vortrag. Stichworte sind zu wenig, aber ganze Absätze wären zu viel. Mit Bruchstücken, Satzfetzen und zugespitzten Kernaussagen können Redner spielen. Das ist Übungssache und tut dem Vortrag gut.


Aber was, wenn ich kein Bild zeigen kann? Dann ist das Publikum gefragt. Dazu komme ich jetzt.


Wie halte ich Kontakt zum Publikum?


Gleich im ersten virtuellen Seminar ist es mir passiert: Ich erklärte und erzählte in meinen Bildschirm hinein, die Teilnehmer*innen hatten Kamera und Ton aus, lauschten scheinbar reglos gebannt - und nach einigen Minuten ging mir auf: Ich dozierte vor mich hin und hatte keine Ahnung, wen es interessierte und wer überhaupt noch anwesend war.


Die Stille des auf mute gestellten Publikums ist verführerisch und trügerisch. Die zwangsläufige Rückmeldung eines physischen Publikums fehlt - kein Rascheln, Flüstern Gähnen. Wie soll ich wissen, ob mir noch jemand folgt? Wenn zudem die Kameras aus sind, sehe ich nicht, ob überhaupt jemand versucht mir zu folgen. Auch geübte Redner*innen suchen im virtuellen Raum ihr Publikum bisweilen vergeblich.


Deshalb brauche ich interaktive Elemente. Ich brauche sie früh im Vortrag und häufig. Nur so kann ich mein Publikum kennenlernen. Welches Tool wir dafür nutzen, scheint egal. Der simple Chat funktioniert so gut wie ein Umfragetool oder Whiteboard. Was zählt, ist dass wir ein bisschen Show und Animation wagen und uns ums Publikum bemühen.


Mein Roter Faden muss stark sein und leuchten


Zuhörer dösen weg, plaudern mit Sitznachbarn oder checken kurz ihr Smartphone: Das kommt vor, und solange sie in einem Raum mit dem Redner sind, werden sie zum Vortrag zurückkehren.


Nicht so im virtuellen Raum, wo der Redner nie zu nahe kommt. Zwischen Smartphone und unerledigten Arbeiten schweifen wir schnell ab und gehen unbemerkt verloren. Wer dem Vortrag wieder folgen will, kann keine Sitznachbarn fragen, worum es gerade geht. Nur das Bild kann beim Wiedereinstieg helfen. Gliederungsfolien nützen, auch farbliche Wegmarken oder ein Bild, das Akzente setzt.


Für Redner*innen heißt das: Die Inhalte klein portionieren, Zwischenstopps setzen, Orientierung geben. Auf Improvisation würde ich mich nicht verlassen. Wenn ich Struktur und Roten Faden habe, fällt alles andere leichter: Auftritt, Visualisierung und Umgang mit Publikum. Aber war das nicht schon immer so?


Und jetzt: Ausprobieren!


Noch sind Webinare nicht wie TED Talks. Die Zeiten sind gut für Redner*innen, die sich ausprobieren möchten. Viel Raum und Zeit für Vorträge, Impulse, Präsentationen. Und da virtuelle Konferenzen Neuland für die meisten sind, ist Ausprobieren gerade das Gebot der Stunde. Nutzen wir die Chance und experimentieren eifrig - bevor die Webinar-Müdigkeit uns den Spaß verdirbt.


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