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AutorenbildHilge Kohler

Ist Framing mehr als das Spielen mit Worten?


Die ARD sorgt für heftige Diskussionen unter Journalisten, denn sie lässt sich darin beraten, wie sie uns ihr Gebührenmodell schmackhafter machen kann. Die Beratung soll 120.000 € gekostet haben und wissenschaftlich basiert sein, durchgeführt von einer Linguistin, die das Konzept des "Framing” anwendet. Und das sorgt für Diskussionen, denn Framing gilt manchen als manipulativ, nah an Propaganda und nicht faktenorientiert. Einfaches Beispiel: “Blutrot” löst andere Bilder im Kopf der Zuhörer aus als “kirschrot”, weil es einen anderen Deutungsrahmen (Frame) für die Farbe rot bietet.


Der ARD wurde geraten, nicht mehr von ihrem “Angebot” für “Beitragszahler” zu sprechen, sondern über “Beteiligung” aller an “unserem gemeinsamen freien Rundfunk” nach dem Motto “Wir sind ihr”. Ziel sei, moralisch zu argumentieren und nicht mehr einen “Konsumenten-Frame” zu bedienen mit “Angebot” für “Beitragszahler” und dergleichen. “Demokratie statt Umsatz” sollen die Mitarbeiter denken und sagen und Privatsender als “medienkapitalistische Heuschrecken” bezeichnen. Framing als einfache Lösung für ein vielschichtiges Problem.


Kann ein neues Framing die ARD beliebter machen?


Die Aufregung ist groß, manche werfen der ARD Verschwendung der Gebühren für teure und überflüssige Beratung vor und viele stören sich am Inhalt der Beratung. Viel wird zitiert aus dem Papier und manches dabei aus dem Zusammenhang gerissen.


Dankenswerterweise hat netzpolitik.org das Dokument online gestellt und so kann jeder, den es interessiert, selber lesen, worum es geht.

Ich habe es gelesen. Und ich fühlte mich an alte Zeiten der Unternehmenskommunikation erinnert, als Sprachfüchse meinten, sie könnten die Wahrheit schönfärben, wenn sie Mitarbeiter nicht entlassen, sondern “freisetzen” und aus einer Sanierung eine “Restrukturierung” machen, und wenn man stets “noch besser werden” will. Später kam der Begriff “nachhaltig” dazu und wird seitdem eingestreut wie Salz in die Suppe - kann auch mal zu viel sein. Zum Glück liegen die Zeiten hinter uns und mehr und mehr Unternehmen versuchen sich heute an ehrlicher Sprache, die Probleme als solche benennt und damit den Gegenüber als mündigen Gesprächspartner ernst nimmt.

Überhaupt sind doch die Zeiten vorbei, in denen Organisationen ihre Kommunikation sorgfältig definieren und ihren Mitarbeitern Sprachregelungen verordnen, bevor sie in voller Kontrolle der Situation öffentlich das Wort ergreifen. Siemens-Chef Jo Kaeser twittert munter und rudert auch mal zurück, wenn ein Tweet daneben gerät. Die Firma Lego erntet einen Shitstorm im Netz, als sie einen kleine Händler und Influencer falsch behandelt, gesteht den Fehler öffentlich ein und zieht Lehren daraus. So geht das. Die Kommunikation entsteht im Prozess: Während die Organisation über ein Thema oder Problem öffentlich diskutiert, zeigt sie, was für eine Kommunikation sie pflegt.


Die Kommunikation der ARD über das Framing-Papier schien etwas unkoordiniert. Erste Reaktion sinngemäß: Nein, das Papier können wir nicht veröffentlichen, das ist rein intern. Zweite Reaktion nach weiterem öffentlichen Aufruhr: Wir würden es ja gern veröffentlichen, aber wir dürfen nicht. Dann: Wir könnten es zwar veröffentlichen, aber wozu, denn es steht ja nichts wichtiges drin. Dann schließlich: Nun kennt es eh schon jeder, dann veröffentlichen wir es jetzt auch.


Und der ganze Wirbel für ein einfaches Kommunikationsrezept, das wissenschaftlich aufgehübscht daherkommt, aber dem Konzept des Framing nicht gerecht wird. Doppelt schade, denn das Konzept des Framing ist reichhaltiger, als es hier scheint. Es kann sprachwissenschaftliche, soziologische und medienwissenschaftliche Blickwinkel verbinden und damit Horizonte erweitern. Dazu an anderer Stelle mehr. Hier sei nur gesagt:


Liebe ARD, das mit dem Framing fand ich nicht so gut; vielleicht hättet Ihr mein Geld sinnvoller einsetzen können. Eure Beitragszahlerin.


Zum Weiterlesen:



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