Kreativ unterwegs mit KI: Wenn der Umweg zum schöneren Ziel führt
- Hilge Kohler
- 18. Apr.
- 4 Min. Lesezeit
Eigentlich war es nicht so geplant. Aber dann wurde unsere Teamübung zum Wettbewerb. Hier Teams, die ohne KI arbeiten, und da ein Tandem, das mit KI arbeitet. Wer würde gewinnen?
Es war in einem meiner Workshops. Die Aufgabe: Ein kurzes Statement zu einem bestimmten Thema verfassen, formuliert mit einigen Stilmitteln und in persönlicher Sprache. Gearbeitet wurde zu zweit, ChatGPT konnte zur Hilfe genommen werden oder auch nicht.
Zehn Minuten hatten wir geplant. Als die Zeit um war, waren zwei Teams fertig. Ein Team war noch intensiv am Formulieren und bat um Verlängerung. Einige Minuten später waren alle fertig.
Es wurde gepitcht. Zuerst die beiden Teams, die nach zehn Minuten fertig waren. Schöne Statements, ein Stilmittel, eine klare Aussage. Wir applaudierten.
Dann das Team, das in die Verlängerung gegangen war. Ein schönes Statement – und mehr als das. Ein Statement, das mit Metaphern jonglierte, Bilder zeichnete, witzig und nachdenklich war und uns alle im Raum spontan überzeugte. Das war unser Lieblings-Statement.
Wir staunten. Denn der klare Gewinner in einem Wettbewerb, den wir nie als Wettbewerb gestartet hatten, war das Team mit KI.
Wie ist das Team kreativ mit KI vorgegangen?
Die beiden haben ChatGPT zu Hilfe genommen, um Metaphern zu suchen und ihre Argumentation zu schärfen. Sie sind mit einer Idee gestartet und haben sich von der KI weitere Ideen dazu geholt. Die meisten davon haben sie wieder verworfen, haben weiter gesucht und gesammelt.
Dann haben sie ihre Argumentation aufgebaut. Sie haben miteinander diskutiert, dann die KI hinzugezogen und Gegenargumente eingeholt. Als sie noch nicht zufrieden waren, haben sie eine klassische Google-Suche gestartet.
Nach der Recherche sind die beiden wieder ans Formulieren gegangen. Sie haben um Worte gerungen, am Statement gefeilt und um Metaphern gerungen. Mal mit KI, mal ohne.
Herausgekommen ist ein Statement, das persönlich klingt und voller Inspirationen steckt. Das Statement nutzt einen Metaphern-Raum (die Unterwasserwelt), in dem einzelne Metaphern sich ablösen. Klare Botschaften führen das Publikum durch die Gedankenwelt der Autorinnen.
Das Statement ist eine Gemeinschaftsarbeit durch und durch. Das Gros der Arbeit stammt von den beiden Autorinnen. ChatGPT hat als Tool mitgewirkt, als Helfer, Ideengeber und Spiegel.
Am Ende, sagen die beiden, haben sie wenig von dem übernommen, was die KI ihnen geliefert hat. Aber die Ergebnisse der KI haben ihnen geholfen zu erkennen, was sie sagen wollen und wie. Also ein Katalysator für eigene Ideen.
Mich erinnert dieser Fall an eine Metapher, mit der ich vor einem Jahr mein Schreiben mit KI beschrieben habe und die ich bisweilen auch von anderen Menschen höre: Die Metapher vom E-Bike.
Das Sprachmodell als E-Bike: Mühelos Ideen sammeln
Das E-Bike nimmt mir die Arbeit nicht komplett ab - aber es unterstützt mich und erweitert meinen Radius. Ich könnte auch zu Fuß gehen, und wenn ich meinen Weg kenne, käme ich zuverlässig an. Ich könnte mit dem Fahrrad fahren, dann wäre ich ein bisschen schneller. Wenn ich aber das E-Bike nehme, komme ich weiter.
Ich kann einen Abstecher einlegen, kann den Berg hinauf und über die Kuppe weiterfahren. Ich kann Umwege nehmen und durch Gegenden kurven, in denen ich noch nie war. Ich kann Neues entdecken und mich darauf verlassen, dass ich es auch wieder zurück schaffe. Wenn die Batterie geladen ist, muss ich mich nicht sorgen, dass mir die Puste ausgeht. Ich muss nur die Hände am Lenker behalten. Dann kann ich entscheiden, wo es lang geht und was ich tun möchte.

An die Metapher vom E-Bike fühlte ich mich erinnert, als das Autorinnen-Duo beschrieb, wie sie vorgegangen sind. Sie hatten intensiv gearbeitet, ordentlich in die Pedale getreten und manche Windungen auf dem Weg zum Ziel zurückgelegt.
Sie hätten es sich leichter machen können. Sie hätten auch schneller fertig sein können. Aber auf ihren Umwegen haben sie sich inspirieren lassen, haben Neues entdeckt und immer wieder Lust bekommen, mehr zu erreichen. Die Umwege haben sich gelohnt, das Ergebnis hat sich hören lassen.
Sprachmodelle fördern Kreativität, nicht Automatisierung
Automatisieren und Zeit sparen: Das ist für viele ein erklärtes Ziel, wenn sie KI in der Arbeit einsetzen. Ich fürchte, dieses Ziel kann schnell auf Irrwege führen. Zumindest wenn es um kreative Arbeit geht.
Um kreativ mit KI zu arbeiten, müssen wir Zeit investieren. Wir müssen Workflows entwickeln, Methoden testen und Routinen ausbilden. Das braucht Zeit und Mühen. “Alleine wäre ich schneller gewesen”, denken wir dann.
Das mag sein. Aber mit der Routine kommt das Können. Und dann kann KI uns weiter tragen, als wir alleine kämen. Und dann irgendwann können wir anfangen, Zeit zu sparen.
Bis dahin heißt es: Ausprobieren, Scheitern und Neustarten. Mal kräftig strampeln, mal in den Flow kommen und laufen lassen. Wie auf dem E-Bike.
Übrigens: In der Teamarbeit ging es um ein Statement zum Thema “KI: Helferlein oder Konkurrenz?” Mehr wird nicht verraten, denn wie immer in meinen Seminaren gilt die Vegas Regel: What happens in Vegas stays in Vegas.
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Wir feilen unseren Stil, bauen unsere Texte, formulieren knackige Headlines und saftige Einstiege. Wir nutzen Sprachmodelle für Brainstorming und Recherche, als Interviewpartner und Feedbackgeber. Wir automatisieren mit Projekten und GPTs. Das Ziel: Zügig besser texten mit KI.
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