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  • AutorenbildHilge Kohler

Als das Digitalfest plötzlich digital wurde - Eindrücke von der #rpRemote

Aktualisiert: 14. Mai 2020


Wie ist das, wenn das größte Festival für Netzkultur sich ins Netz verlagern muss? Die re:publica hat es ungewollt vorgemacht. Wie schön!


In diesem Jahr war die re:publica so digital wie nie - zwangsläufig. Das dreitägige Festival für Netzkultur war erst in den August verschoben, dann abgesagt und schließlich in ein 12-stündiges Digitalevent verwandelt. Auch wenn ich lieber drei Tage Festival vor Ort gehabt hätte, bin ich froh, Teil der#rpRemote gewesen zu sein. Warum?


Die #rpRemote war ein riesiges Live-Experiment


Auf vier Hauptbühnen, vier Diskussionsforen und einem Hof spielte sich alles live ab. Zum Teil in eigens hergerichteten Studios, zum Teil aus dem Home Office zugeschaltet. Übertragen auf der republica Website und auf youtube. Per Klick konnten wir zwischen den Sessions schneller wechseln als vor Ort je möglich.


Erst schien mir, wir würden zurück in die 90er katapultiert und vor dem Bildschirmen zuschauen, wie andere diskutierten. Als dann auch noch die Kommentarfunktion auf youtube deaktiviert wurde, sank meine Laune. Aber im Laufe des Tages gab reichlich Gelegenheit, uns einzuschalten, in Zoom Sessions zu diskutieren oder über Mentimeter Fragen einzureichen.


Soziale Präsenz wurde im virtuellen Raum erlebbar


Angeblich wurden auf der #rpRemote streckenweise mehr Fragen gestellt als je zuvor in Sessions der re:publica. Das kann ich mir vorstellen, denn die Diskussionen in den Deep Dives waren fast immer einen Besuch wert. Trotzdem habe ich die Chat-Funktion vermisst, in der auf Zoom & Co die Teilnehmer für alle sichtbar werden. ich merke, dass im Digitalen die Nebengespräche so viel Atmosphäre stiften wie die Tuscheleien mit Sitznachbarn im analogen Raum.


Der Hof war mir der spannendste Raum von allen. Er sollte das Herz (oder den Bauch?) der re:publica abbilden, wo sich alle treffen zum Plausch bei Drinks und Essen. Technisch war der Hof der #rpRemote schlicht eine Zoom Konferenz, in die wir uns nach Belieben ein- und ausklinken konnten. Zwei Moderator*innen sorgten für Orientierung, hielten uns Trolle vom Leib (nicht immer erfolgreich), schoben Besucher in thematische Breakouträume und plauderten wenn nötig die Stille weg. Für Stimmung sorgten die Teilnehmer: Da war der Griller mit Kind im Garten, die Redsame vor virtueller Kneipe, natürlich jemand vorm Bücherregal und irgendwo fiel mit Getöse eine Flasche Club Mate um. Halb Heimweh, halb Neuland, so fühlte sich der Hof an. Eine bunte Experimentierwiese für die Frage: Wie schaffen wir Nähe in digitalen Formaten?


Die Auswahl an Talks war üppig wie gewohnt


Von unterhaltsam bis lehrreich, von Politik bis Privat war alles an Themen dabei. Aus Dutzenden Talks das eigene Programm zu wählen, war so komplex wie immer. Hier sind meine Favoriten:


Vint Cerf sprach darüber, wie das Internet die Pandemiebekämpfung prägt. Wer noch nicht darüber nachgedacht hat, welche Rolle das Internet in der Coronakrise spielt, erfährt es hier. Moderatorin Julia Kloiber führte den Internetpionier gekonnt auch in unbeleuchtete Ecken des Themas. Vielleicht einer der besten Sessions zum Nachhören.


Jutta Allmendinger erörterte, wie Frauen in der Coronakrise zu verlieren drohen und welchen Vertrauensvorschuss einzelne Bevölkerungsgruppen geleistet haben, den nun die Politik auszugleichen hat.


Bestens unterhalten fühlte ich mich von Kathrin Passig und Leonhard Dobusch in ihrem Rückblick auf 30 Jahre Internet. “Alles am Internet ist super” hielten sie jenen entgegen, die meinen, früher sei alles besser gewesen. “Kritik” sei ein unglückliches Wort, weil es nicht nur die gründliche Auseinandersetzung mit einem Thema bezeichnet, sondern auch ein “dagegen sein”. Schließlich habe der Spiegel schon 1998 geschrieben: “Das Internet ist zum Tummelplatz von Pornohändlern, Rassenhassern und allerlei Spinnern geworden.” Schauen wir kritisch hin, ohne zu verdammen!


Aktuelles zum Thema #Coronaschule bot Jöran Muuß-Merholz mit Maike Schubert und Maria Kruse. Direkt aus dem Alltag der beiden Lehrerinnen hörten wir, was die plötzliche Digitalisierung der Schulen mit sich bringt. In anschließenden Diskussion kam die Eltern-Perspektive nicht zu kurz. Mein Highlight: Präsenz lässt sich auch digital erzeugen, meint Maike Schubert, zum Beispiel indem wir Privates in der Videokonferenz teilen und lieber unsere Wohnumgebung zeigen als virtuelle Hintergründe. - Stimmt: In einem Vortrag schlich sich eine Katze ins Bild und beobachtete uns vom Regal aus; an den Vortrag erinnere ich mich gut!


Zum krönenden Abschluss gab es die traditionelle Bohemian Rhapsody als Quaraoke - einzeln eingespielt, zusammen abgespielt. Das Ergebnis lässt sich hören.


Sicher, ich freue mich, wenn die nächste re:publica wieder live und mehrtägig steigt. Aber ein digitales Event wäre auch wieder schön. Warum? Weil es noch so viel zu lernen gibt darüber, wie wir miteinander umgehen, wenn ALLE sich im digitalen Raum treffen. Und weil die #rpRemote dafür gute Gelegenheit bot.


Apropos ALLE: Im letzten Jahr kamen 10.000 Leute nach Berlin, in diesem Jahr waren 1.600 auf der #rpRemote. Da geht doch noch mehr?



Ihr fragt Euch, was die re:publica eigentlich ist? Hier geht es zur Website der re:publica



Titelbild: republica GmbH (CC BY-SA 2.0) 




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