Von der Schwierigkeit, Manuskripte zu schreiben, die sich lesen wie gesprochen
Hallo. Schön, dass Sie da sind. Ich will ihn heute was erzählen über Texte, und zwar ob man Texte entweder zum Hören oder Lesen schreibt und ein Redetext sich immer irgendwie schlechter liest als ein Lesetext. - Nee, das war nix, das mach ich nochmal.
Dieser Beitrag untersucht, inwieweit Lese- und Hörgewohnheiten sich unterscheiden so, dass ein Redetext sich grundsätzlich nicht zum Lesen eignen sollte und es förmlich eine Eigenschaft guter Redetexte sein sollte, dass sie sich nicht gut lesen. - Naja, verständlicher war das auch nicht.
Wie schreiben wir fürs Ohr?
Müssen wir anders schreiben, wenn wir einen Text für Leser oder für Zuhörer verfassen? Diese Frage kam neulich in einem Seminar auf, in dem es um die Produktion von Lehrvideos ging. Um uns auf das Verfassen von Drehbüchern einzustimmen, sollten wir einen Text lesen, der fürs Reden verfasst war.
Wir merkten, wie schwer es ist, einen Rede-Text zu lesen oder umgekehrt einen Text, der fürs Lesen verfasst ist, in die Kamera zu sprechen. Die Botschaft war: Leute, formuliert lieber Stichworte zum freien Formulieren, und wenn Ihr einen Text ausformuliert, dann denkt daran, dass Eure Zuschauer den Text nicht mitlesen.
Der Kursleiter fragte mich, was ich als Redenschreiberin dazu meine. Äh, ja… setzte ich ganz unprofessionell an und versuchte meine Gedanken zu strukturieren. Ich versuchte zu sagen, dass Redetexte sich heute immer weniger von Lesetexten unterscheiden, und zwar aus folgenden Gründen:
Weil wir immer mehr Videos schauen und Audiodateien hören, gewöhnen wir uns daran, dem gesprochenen Wort zu folgen und dabei genauso fundierte Inhalte aufzunehmen, wie wenn wir einen Text lesen.
Wir haben alle einen weniger formalen Umgang untereinander als noch vor einigen Jahrzehnten, und das spiegelt sich auch in unserer Sprache wieder. In unserer Alltagssprache, aber auch in der Frage, was wir als gut geschriebene Kommunikation akzeptieren.
Weil immer mehr Texte schnell, kurz und nebenher produziert werden, ist das Text-Handwerk, dem wir im Alltag begegnen, auch ein einfacheres. Das kann bis zur Spracheingabe gehen, die ich übrigens auch für die Erstfassung dieses Blogbeitrags genutzt habe.
Wenn unsere Schriftsprache dem gesprochenen Wort immer ähnlicher wird, sollten dann nicht Redner auf deutschen Bühnen immer natürlich klingen?
Vielleicht schreiben wir Redenschreiber manchmal zu viel. Vielleicht sollten wir öfter das Reden-Reden trainieren. Ja, das machen manche. Aber nicht alle. Vor allem nicht in Unternehmen.
Da ist es ja eher so: Der Redenschreiber schreibt den Entwurf zur Rede, gibt ihn in die Freigabe, das heißt zu Kollegen für die fachliche Prüfung. Die redigieren dann den Text, und dabei denken sie nicht ans Lesen oder Hören - sondern schreiben ihre Änderungen in den Text. Dann geht es an die Leitung der Kommunikationsabteilung, die ihre Änderungen zwar durchaus mit Sprachverstand in den Text schreibt, aber nicht unbedingt mit Routine im Schreiben fürs Sprechen. Dann ab zum Redner, und der zückt zum Redigieren unweigerlich Stift oder Tastatur.
Das heißt: Die Rede ist ein durch und durch schriftliches Dokument. Sie soll ja auch nur ein Skript sein, aus dem der Redner einen persönlichen und frei gesprochenen Vortrag macht. Eigentlich.
Hauptversammlungen zeigen, wie es um die Redekunst in Chefetagen steht
Solche Reden können wir zum Beispiel auf Hauptversammlungen begutachten. Im Redenschreiberverband VRdS tun wir das seit einigen Jahren mit einem Analystenteam und schicken den analysierten Unternehmen dann unser Urteil. In diesem Jahr analysiert das Team des VRdS die Reden aller 30 DAX-Vorstände. Im DAX sind die größten bzw. börsentechnisch wertvollsten Unternehmen Deutschlands versammelt, und die haben in der Regel auch die größten und best ausgestatteten Kommunikationsabteilungen. Die Reden sollten also ziemlich gut ausfallen. Im Juni werden wir berichten, wie unser Urteil ausfällt. Ich bin gespannt, wie es um die Mündlichkeit der Redner und ihrer Skripte steht.
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