Wenn Claude mitliest: So schreibe ich mit Feedback von KI
- Hilge Kohler

- 15. Sept.
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 16. Sept.
“Der LinkedIn Post ist gut strukturiert und authentisch geschrieben. Hier sind meine Gedanken dazu:”
Heute ist Claude wieder richtig nett zu mir. Auf meinen Text gibt mir das Sprachmodell kräftiges Lob und zwei kleine Verbesserungsvorschläge. Aber ist mein Text wirklich so gut?
Feedback von der KI: Das ist die eine Funktion, die ich nicht mehr missen möchte. KI ersetzt mir die Kollegen, die schnell über meine Texte gehen oder meine Ideen prüfen. Das ist nicht nur für Soloselbstständige wie mich unschätzbar. Auch in Teams tun sich Kollegen oft schwer, ehrliches Feedback zu geben oder danach zu fragen.
Aber Feedback von der KI kommt mit Tücken daher. Es fällt immer freundlich aus, klingt oft klug, und wenn ich es hinterfrage, bekomme ich auch nur Zuspruch.
In diesem Blogpost zeige ich, wie ich mir Feedback von Sprachmodellen auf meine Texte geben lasse. Ich erkläre, wie ich vorgehe und was ich berücksichtige. An Beispielen zeige ich, wo Fallstricke liegen und worauf es ankommt.
Zwei Wege zum Text-Feedback von KI
Hier zeige ich, wie ich vorgehe, um von Sprachmodellen Feedback auf Texte zu bekommen. Ich nutze zwei unterschiedliche Ansätze. Beim ersten geht es um offenes Feedback, beim zweiten um eine regelbasierte Bewertung. Beide Ansätze kann ich mehr oder weniger durchstrukturieren.
Option 1: Offen fragen
Im Alltag frage ich meist ganz offen. Ein Beispielprompt wäre: “Wie findest du diesen Text für einen Blog über Pilgerreisen?” Alles, was ich an Kontext vorgebe, ist also das Medium, in dem der Text erscheinen soll.
Die Antwort des Sprachmodells ist in der Regel ausgewogen aufgebaut. Nach einem allgemeinen Lob folgt eine Auflistung der Stärken und dann eine Liste der Schwächen oder des Verbesserungspotentials. Zum Schluss wird noch einmal gelobt.
Dies ist der schnellste Weg, sich Feedback zu holen. Ich darf mich nicht davon täuschen lassen, dass es so positiv klingt. Der Nutzen des Feedbacks liegt in den Kritikpunkten. Die kann ich durchgehen und überlegen, ob ich sie relevant finde und welche ich aufgreifen möchte, um weiter am Text zu arbeiten.
Solch ein schnelles Feedback hilft auch, wenn ich einen Text aufbaue. Wenn ich z.B einen Abschnitt strukturiert habe und das Sprachmodell frage, ob die Struktur vollständig oder nachvollziehbar ist. So wird das Sprachmodell zum ständigen Begleiter, der mir beim Schreiben über die Schulter schaut.
Fokussierte Offenheit
Je mehr Kontext ich dem Sprachmodell gebe, desto spezifischer wird das Feedback. Ich kann zum Beispiel die Zielgruppe, Ziel und Kernbotschaft des Textes oder Details zum Medium.
Am interessantesten finde ich es, die Zielgruppe einzugrenzen. Ich kann z.B. statt aller Mitarbeitenden im Unternehmen sagen, der Text sei für Mitarbeitende in der Forschung. Oder noch spezifischer für Schichtarbeitende in der Produktion. Oder ich grenze Zielgruppen nach der Interessenlage ein. Für meinen Blogpost könnte ich spezifizieren: “Der Text richtet sich an Menschen, die den Einsatz von KI kritisch sehen.”
Wenn ich mit dem Sprachmodell an einzelnen Untergruppen arbeite, kann mir das blinde Flecken aufzeigen. Oft schreiben wir ja für Zielgruppen, die nicht homogen sind, sondern sich in viele Untergruppen aufteilen lassen. Und manche dieser Untergruppen sind uns vertrauter als andere.
Ob ich die Zielgruppe eingrenze oder Details zum Medium oder zur Botschaft anfüge, das Vorgehen ist immer gleich. Ich strukturiere meinen Prompt wie folgt:

Dies ist eine einfache Prompt-Struktur. Sie genügt für die meisten Anwendungsfälle, um die es hier geht.
Option 2: Mit Regeln arbeiten
Regeln erleichtern die Feedback-Arbeit. Das kennen wir aus dem Alltag: Klare Vorgaben erleichtern das Feedback auf Texte der Kolleginnen. Bei Sprachmodellen gilt: Je mehr Regeln, desto treffsicherer das Feedback.
Welche Regeln wende ich an und woher nehme ich sie? Das kommt darauf an, was ich erreichen möchte. Hier sind drei Optionen:
Bekannte Vorgaben für gängige Texte
Feedback zur Rechtschreibung und Grammatik: Das ist kein Problem. Sprachmodelle wissen, wie man korrekt schreibt. Aber was ist mit Schreibstil? Das kommt auf den Stil an.
Nachrichten-Journalismus folgt einem standardisierten Stil. In Sprachmodellen ist dieser journalistische Stil gut verankert. Alternativ funktionieren auch die ”journalistischen Schreibregeln von Wolf Schneider” oder andere bekannte Regeln. Auch für wissenschaftliche Texte gelten bekannte Regeln. In diesen Fällen genügt es, das Sprachmodell aufzufordern, anhand dieser Regeln Feedback auf den Text zu geben.

Ähnlich funktioniert es für LinkedIn-Texte oder Instagram-Posts. Auch hier können Sprachmodelle die gängigen Empfehlungen abrufen und auf meinen Text übertragen. Aber dies sind keine strikten Regeln, sondern mehr Geschmacksfrage. Meinen Geschmack treffen die gängigen Empfehlungen nicht, und deshalb funktioniert diese Art von Feedback für mich auch nur begrenzt.
Eigene Regeln
Wenn ich mich nicht auf gängige Regeln verlassen will, muss ich eigene formulieren. Für manche Fälle ist es einfach, z.B:
Duzen oder siezen
Gender-Regel
Begriffe, die tabu sind
Formale Vorgaben für die Pressemitteilung
Alles, was im Corporate Wording verankert ist
Da dies wiederkehrende Regeln sind, lohnt es sich, sie zu hinterlegen. Das kann z.B in einem Dokument sein, dass ich anhänge, wenn ich das Sprachmodell um Feedback bitte. Oder in einem eigenen Projekt oder GPT, den ich für Text-Feedback nutze.
Beispieltexte
Was mache ich mit Kriterien, die sich nicht in Regeln fassen lassen? Wenn es um Argumentation, inhaltliche Tiefe oder persönlichen Stil geht?
Dann helfen Beispiele. Wenn es um Stil geht, kann ich drei bis fünf Texte eingeben, die den gewünschten Stil zeigen. Dann bitte ich das Sprachmodell, meinen Text mit diesen Beispieltexten zu vergleichen und mir Feedback zu geben, wie gut mein Text diesem Stil entspricht. Gerade bei Stilfragen lohnt es sich, ein Projekt oder einen GPT anzulegen und mit dem Stil anzulernen.
Überblick: Wann welchen Weg wählen?
Option 1: Offen fragen
Vorteile: Breites Spektrum oder spezifische Perspektiven, schnell
Nachteile: Version A oft generisch, Version B übersieht andere Aspekte
Nutzen: Erste Einschätzung, Ideensammlung, verschiedene Blickwinkel
Option 2: Regeln vorgeben
Vorteile: Spezifisch, weniger beliebig, wiederholbar
Nachteile: Übersieht Aspekte außerhalb der Regeln
Nutzen: Konsistente Standards, Qualitätskontrolle
Praxistipps für die nächste Feedbackschleife
Im ersten Schritt habe ich gezeigt, wie ich vorgehe, wenn ich mir Feedback von Sprachmodellen geben lasse. Jetzt möchte ich auf zwei Fallstricke hinweisen. Egal wie ihr vorgeht, die folgenden Herausforderungen werden euch immer begegnen.
Sprachmodelle geben gefällige Antworten.
Sprachmodelle werden oft Bestätigungsmaschinen genannt. Das gilt auch beim Feedback. Standardmäßig bekomme ich eine wertschätzende Antwort, wie in meinem obigen Beispiel. Wenn ich um Kritik bitte, dann kommt Kritik. Es ist also wie ein Spiegel, in dem ich das sehe, wonach ich schaue.
Hier ein Beispiel: Ich habe Claude um Feedback auf einen Artikel gebeten. Seht, wie das Feedback sich unterscheidet, wenn ich eine kleine Ergänzung anfüge.
Für den Feedbackprozess heißt das: Ich sollte die Antworten des Sprachmodells realistisch einschätzen. Die Euphorie aus den Standardantworten herausfiltern. Und mich nicht von dem beißenden Ton irritieren lassen, den die Kritik annehmen kann.
Sprachmodelle sind keine Experten.
Die Antworten von ChatGPT & Co klingen gut. Aber nicht vergessen: Sprachmodelle sind keine Ressortleiterinnen und keine Senior PR Manager.
Sprachmodelle werden bisweilen noch immer als Zufallsmaschinen bezeichnet. Das halte ich für irreführend. Die Bezeichnung unterschätzt, wie treffsicher die Antworten sein können. Und vor allem werden die Antworten weiter rasant besser.
Und trotzdem sind es keine Experten. Mich erinnern Sprachmodelle oft an begabte Praktikanten. Ihr Feedback trifft meist erstaunlich gut, aber manchmal liegen sie auch weit daneben.
Deshalb: Immer die kritische Distanz wahren. Auch wenn das Feedback überzeugend klingt, muss ich immer hinterfragen, ob ich es auch so sehe. Die Antwort des Sprachmodells ist ein Angebot, von dem ich nur das nehme, was für mich schlüssig ist und passt.
Mit mehreren Sprachmodellen arbeiten.
Zuletzt noch ein Tipp: Mehrere Sprachmodelle gleichzeitig verwenden. Ich gebe Texte meistens zuerst in Claude ein. Wenn ich gern eine Zweitmeinung hätte, frage ich Gemini. Und wenn es wirklich wichtig ist, frage ich auch noch ChatGPT.
Es kann vorkommen, dass die verschiedenen Sprachmodelle ganz unterschiedliches Feedback geben. Dann bin ich umso mehr gefordert, meine eigene Entscheidung zu treffen. Manchmal aber ist das Feedback der drei Modelle auch sehr konsistent, was mir die Entscheidung umso leichter macht.
Wenn ich der Sache richtig auf den Grund gehen will, lasse ich die Sprachmodelle gegeneinander antreten. Feedback von Claude wird mit dem Text zusammen in Gemini gegeben, mit der Aufforderung, das Feedback zu prüfen. Das funktioniert natürlich genauso mit ChatGPT und Claude etc.
Die Arbeit mit mehreren Sprachmodellen ist umso nützlicher, als die Modelle sich unterscheiden. Jedes hat seine eigenen Stärken und Besonderheiten. Diese ändern sich im Laufe der Zeit, je nach Version und Update.
Aktuell würde ich die drei Sprachmodelle so einordnen:
Gemini: Freundlichstes Feedback, aber manchmal zu nett. Stringente Analysen.
Claude: Stark bei Textarbeit. In der Regel verlässliches Feedback, aber streckenweise zu sehr nach dem Mund geredet.
ChatGPT: Funktional, aber neigt zu Social Media-Sprache
Quick Start: So hole ich mir Feedback von KI
Im Folgenden liste ich auf, welche Schritte ihr gehen könnt, um Feedback von KI auf eure Texte zu bekommen. Dies ist als Überblick gemeint, die Details habe ich oben beschrieben. Schritt 1 bis 4 sind der Standard für jede Feedbackschleife. Mit Schritt 5 bis 7 wird die Feedbackschleife besonders gründlich.
Sprachmodell wählen
Tipp: Claude ist ein guter Allrounder für alle Textarbeiten.
Feedback festlegen
Welche Art von Feedback brauche ich?
Welche Fragen möchte ich beantwortet haben?
Auf welche Aspekte soll das System besonders achten?
Prompt formulieren und Text eingeben
Ein einfacher Prompt ist gut für den Start.
Komplexere Fragen sollten in einem strukturierten Prompt gestellt werden.
Feedback kritisch prüfen
Erkenne ich die genannten Stärken im Text?
Wie beurteile ich die Verbesserungsvorschläge?
Klingt das Feedback schlüssig?
Dialog führen
Um kritisches Feedback bitten, wenn die Antwort zu positiv ist.
Nachfragen, wenn Vorschläge nicht verständlich oder mehrdeutig sind.
Wenn es gründlich sein soll, zweites Sprachmodell hinzuziehen
Gleiche Anfrage an zwei Sprachmodelle geben.
Feedback des einen ins andere Sprachmodell geben zwecks Zweitmeinung.
Fazit: Sprachmodelle als Feedback-Buddys
Feedback von KI kann beim Schreiben enorm helfen. Es ist immer verfügbar und frei von persönlichen Empfindsamkeiten. Aber es hat seine Tücken. Wir müssen auf der Hut sein, KI nicht zu überschätzen und die Maschinen nicht für Experten zu halten.
Feedback von der KI ist eine Hilfestellung. Es ist kein Ersatz für das eigene Denken. Eigentlich gilt das ja fürs Schreiben mit KI immer. Die redaktionelle Verantwortung und damit das letzte Wort haben wir.
Ein letzter Tipp: Probiert und experimentiert. Meine Anleitungen und Tipps in diesem Post beruhen auf meiner persönlichen Erfahrung und vielen Experimenten. Was für euch am besten funktioniert, findet ihr nur durch Ausprobieren heraus.
Und wenn ihr eure Erfahrungen teilt, dann haben wir alle etwas davon. Schreiben mit KI entwickelt sich umso besser, je mehr wir voneinander und miteinander lernen.
Deshalb: Habt ihr einen Lieblings-Prompt oder einen besonderen Fail erlebt? Teilt eure Erfahrungen unter diesem Beitrag. So lernen wir alle gemeinsam.
Übrigens: Maßgeschneiderte KI-Workshops gibt's bei mir auch. Interessiert? Hier findet ihr alle Details.

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