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  • AutorenbildHilge Kohler

Zwei Jahre Online-Trainings - ein Rückblick mit Wunschliste

Zwei Jahre ist es her: Im ersten Corona-Lockdown wurden Trainings online gebracht. Oft hektisch, manchmal über Nacht, nicht immer perfekt. Zeit für einen Rückblick: Was haben wir gelernt? Was sollten wir uns für die Zukunft erhalten?



März 2020: Mein erstes Online-Training als Dozentin dauerte drei Tage. Kameras aus, Teilnehmende stumm, ausufernde Monologe, Dokumente wurden mühsam über einen Downloadserver geteilt. Trotzdem meinte die Gruppe: Gar nicht so schlecht, jedenfalls besser als befürchtet, auch wenn ihnen Vor-Ort lieber wäre.


Dezember 2020: Ein Online-Training, als solches angekündigt und ausgebucht. Am Conceptboard und Padlet, im virtuellen Stuhlkreis, in der Fishbowl und mit viel Kollaboration an Google Docs und Slides. Lauter glückliche Teilnehmende.


März 2022: Rückblick. Zwei Jahre Online-Trainings liegen hinter mir. Zwei Jahre, in denen mir vieles gelungen ist und ebenso vieles mißlungen. In denen ich ausprobiert habe und verworfen. Und in denen ich gefühlt mehr gelernt habe als in meiner ganzen Berufszeit davor.



Und während wir wohl alle hoffen, dass wir die Pandemie-Zeiten endlich hinter uns lassen können, frage ich mich: Können wir ein wenig von dem Geist der Zeit erhalten? Können wir das Beste aus der Zeit mitnehmen ins neue Normal?


Ich habe ein Wunschliste: Die Liste dessen, was ich aus den letzten zwei Jahren Online-Training mitnehmen möchte in … was-auch-immer-für-eine Zeit anbricht.


Dies möchte ich mitnehmen aus den zwei Jahren Ausnahmezeit:



Teilnehmende sind mindestens so wichtig wie Inhalte.

Wir haben gelernt: Aufmerksamkeit zu halten, ist eine der größten und schwierigsten Aufgaben in Online-Sessions. Wie gewinnen wir das Interesse unserer Teilnehmenden? Wie sorgen wir dafür, dass sie am Ball bleiben und uns folgen?


Online ist Ablenkbarkeit und Ermüdung ein größeres Problem als in physischer Präsenz vor Ort. Aber ehrlich: Vor Ort ist die Aufmerksamkeit doch auch nicht garantiert. Und wenn mein Publikum mir nicht folgen kann oder mag - ist das dann ihr Problem oder meines?


Deshalb plädiere ich dafür, dass wir mit derselben Geisteshaltung vor Ort wie online an Trainings und Vorträge gehen: Dass wir uns erst um die Teilnehmenden kümmern und dann um unsere Inhalte.



Online-Vortrag: Dialog statt Monolog

Das haben wahrscheinlich viele von uns schnell gemerkt: Monologe funktionieren online nicht. Im Grunde ist das ja nichts Neues und auch nicht auf Online-Sessions beschränkt. Monologe funktionieren auch bei physischen Meetings nicht. Nur haben wir uns dort wahrscheinlich eher daran gewöhnt und wissen besser damit umzugehen.


Online haben Trainerinnen und Dozierende jedenfalls ziemlich schnell umgeschwenkt. Wir haben Dialog-Formate eingeführt und ausgebaut. Wir binden unsere Teilnehmenden ein, wir aktivieren sie und streben danach, in den Austausch mit ihnen zu gehen. Nicht zuletzt weil es uns selbst gut tut. Weil wir selbst es gar nicht ertragen können, einen Monolog in unseren Bildschirm hinein zu halten, womöglich noch in lauter schwarze Kacheln, wenn alle Teilnehmenden die Kameras aus haben.


Nach zwei Jahren intensiven Online-Dialogs wird niemandem entgangen sein: Ein Dialog mit dem Publikum macht mehr Spaß als ein Monolog - und er ist auch viel ergiebiger. Ich bin dafür, dass wir das so beibehalten. Dass wir auch vor Ort in physischer Präsenz auf Monologe verzichten.


Übrigens. Das heißt nicht, dass wir keine Vorträge mehr halten wollen oder dürfen. Auch Vorträge lassen sich wunderbar als Dialoge gestalten. Dazu mehr an anderer Stelle.



Wir lernen gemeinsam

Das Schöne an dieser Ausnahme-Zeit war für mich, dass wir alle hemmungslos lernen konnten. Wir durften Fehler machen, wir durften Dinge nicht wissen, jede Fragen konnten wir stellen und keine Frage war zu dumm. Meist haben wir jemanden gefunden, der uns irgendwie weiterhelfen konnte - und wenn jemand aus dem Teilnehmerkreis weiterhelfen konnte, war das völlig in Ordnung. Wir hätten gar nicht den Anschein aufrecht erhalten können, immer mehr zu wissen als unsere Teilnehmenden.


Mit anderen Worten: Wir haben gemeinsam gelernt, Lernende und Lehrende zusammen. Vortragende und Publikum auf Augenhöhe.


Diese Augenhöhe passt auch räumlich zu Online-Sessions. Denn dort stehen oder sitzen wir ohne Bühne, Rednerpult und ohne Graben zum Publikum. Wenn wir nicht lautstark moderieren, könnte man bisweilen gar nicht erkennen, wer hier Rednerin ist und wer im Publikum sitzt.


Der Online-Raum schafft eine Augenhöhe, die ein Miteinander von Lehrenden und Lernenden zur natürlichsten Sache der Welt macht. Von vielen physischen Seminarräumen lässt sich das nicht sagen, von klassischen Hörsälen ganz zu schweigen.


Warum sollten wir uns diese Augenhöhe nicht erhalten wollen?



Die Trainerrolle ändert sich

Wo keine Bühne, da ist auch keine Show. Wo kein tosender Applaus zu erwarten ist, da muss ich auch keine Motivationskanone zünden - sie würde eh verpuffen. Und wo wir als Lehrende und Lernende gemeinsam voran kommen, da spielt die charismatische Trainerpersönlichkeit keine Rolle mehr. Wie Charisma online funktioniert, haben wir eh noch nicht verstanden.


Also ist es Zeit, die Trainerrolle neu zu definieren. Für mich ist es mehr Reiseleitung als Vortanzen. Und das soll es auch in Zukunft bleiben.



Trainer, Rednerinnen, Dozierende dürfen Fehler machen.

Wir dürfen Fehler machen. Manche versetzt diese Vorstellung in Angst, auf andere wirkt sie befreiend. Auf jeden Fall sind Fehler eine gute Quelle für Lernerfahrungen. Warum wird diese Quelle nicht viel mehr genutzt?


Im Frühjahr 2020 sind wir losgezogen und haben ausprobiert. Wir sind gescheitert, haben daraus gelernt und weiter ausprobiert. Dieses mutige und muntere Scheitern hat ungeahnte Kräfte freigesetzt. Als Trainerinnen, Seminarleiter und Dozierend begegnen wir einander nicht mehr in der Expertenrolle - wir schlüpfen selbst in die Rolle von Lernenden. Für viele eine neue Erfahrung. Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.


Mein Eindruck ist, dass wir heute offener miteinander umgehen, dass wir Fehler einander zugestehen und darüber sprechen. Für mich ist das eine unerlässliche Quelle gemeinsamen Lernens. Und die möchte ich mir erhalten. Das kann ich nicht alleine. So hoffe ich darauf, dass viele es so sehen wie ich.




Gerade der letzte Punkt ist wichtig, wenn die nächste Etappe zum Erfolg führen soll. Hybride Welten gilt es jetzt für das Lernen zu erschließen. Ich wünsche mir, dass wir mit dem gleichen offenen Geist an die nächsten Herausforderungen gehen, wie wir es im Frühling 2020 getan haben.



Sketchnote: 8 Figuren stehen im Kreis und sprechen miteinander
Sketchnote: CC-BY-ND Hannelore Fritz

Übrigens: Die Sketchnote auf dem Titelbild hat meine Kollegin Hanne Fritz gezeichnet. Eigenes für unser eBook "Von Analog zu Digital - 7x5 interaktive Workshop-Methoden, die auch online begeistern". Das eBook haben wir kostenlos zur Verfügung gestellt. Ohne das offene Miteinander, das gemeinsame Lernen wäre auch das Projekt nicht möglich gewesen.





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