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  • AutorenbildHilge Kohler

Teamarbeit auf der Rednerbühne: Wie geht das?

Teamarbeit liegt im Trend. In Schule, Studium und Job, und immer öfter auch auf Führungsetagen. – Und auf der Rednerbühne?





Lassen sich große Reden im Team schwingen? Als Duett, als Paartanz oder auch im Zweikampf?


Letzten Freitag haben es zwei getan, die das seit Jahren praktizieren. Annalena Baerbock und Robert Habeck haben sich auf dem Parteitag der Grünen von der Parteiführung verabschiedet. Nach vier Jahren gemeinsamer Parteiführung gehen sie in ihren Ministerien eigene Wege. Ihre Rede am digitalen Parteitag war eine gemeinsame. Was sonst?


Angekündigt war ihr Auftritt als “die politische Rede”.


Die “politische Rede” gilt Rhetorikern als das größte Machtmittel unter Gleichgestellten

Zu erwarten war eine Abschiedsrede, ein Rückblick oder auch eine Abrechnung, jedenfalls die Schlussnote einer Ära: Persönlicher geht kaum. Geht das auch zu zweit?



“Wir hatten gar keine Zeit, uns auf diese Rede vorzubereiten”, lässt Habeck uns eingangs wissen. Ist das eine Entschuldigung für schlechte Vorbereitung, oder Tiefstapelei, weil die Rede dann doch gut ausfallen wird?


Vorweg eine General-Entschuldigung: Für zu wenig Zeit, zu wenig Gespräche, für vielleicht etwas Arroganz, “das war nie so gemeint”. Ein schwacher, kleiner Start in die große Rede.


Dann aber: “Was waren das für vier Jahre!” Es folgt die große Erzählung im Taschenformat. In wenigen Sätzen geht's durch die Heldenreise der gemeinsamen Amtszeit, die Ambitionen und den Weg.


“Es beginnt ein neuer Akt.” Damit übergibt Habeck an Baerbock, und sie knüpft an: “Ja, und dass wir diesen…”


Baerbock bringt das “Gemeinsame” ins Spiel. Dass ihr Team ihnen von gemeinsamen Auftritten abgeraten hätte - “Das kriegt ihr nicht hin mit den Übergängen” -, dass Beobachter auf Anzeichen für Reibungen gelauert hätten. Dass Reibungen zum Politikgeschäft gehören und deshalb Diskussionen bei den Grünen etwa Gutes seien. Stichwort Kompromisse.


Habeck übernimmt: “Annalena hat den Ton gesetzt: Kompromisse”


Und setzt an zu einer Diskussion seiner aktuellen Regierungsarbeit. Taxonomie, Förderung der Gebäudesanierung, Energiekosten, EEG Umlage und dergleichen mehr. Schnell, fast hektisch rollt Habeck Details aus. Das dauert fast 15 Minuten. Ist das nur mir zu lang und kleinteilig?


Die Kamera-Totale zeigt: Das ist keine gemeinsame Rede mehr, kein Duett. Das ist Robert Habeck allein auf der Bühne, befasst mit seinem eigenem Regierungsgeschäft.

15 Minuten dauert das. Dann ist er durch, schließt mit den Worten, dass Energiepolitik international sei, und deswegen “ist es großartig, dass Annalena Außenministerin Ist”.


Und schon kommt sie auf die Bühne. Abgang Minister Habeck und Auftritt Ministerin Baerbock.


Jetzt geht es - natürlich - um Baerbocks Regierungsgeschäft. Außenpolitik als Reisediplomatie, den getroffen und mit dem gesprochen. Und irgendwo fällt auch wieder das Stichwort “Kinder”, ihr Markenkern.

Erzählen ist Baerbocks Sache nicht. Begegnung mit der Holcaust-Überlebenden Inge Auerbacher, ein Schmetterling an ihrem Hals und ein Schmetterling am Hals einer Schülerin. Detailreich, umständlich, kommt die Story nicht vom Fleck.


Dafür kann Baerbock große Politik auf einen einfachen Punkt bringen. “Frieden und demokratische Freiheit” zum Beispiel. Was bei Habeck zur Philosophie-Vorlesung gerät, klingt bei ihr so einleuchtend, dass ich gar nichts dagegen sagen könnte, selbst wenn ich wollte.



Beide spielen ihre Stärken aus


Habeck erzählt, Baerbock erklärt. Habeck wird emotional, Baerbock programmatisch. Habeck spricht mal einfach, mal komplex - wechselt zwischen Kneipe und Hörsaal. Baerbock pflegt Alltagssprache. Habeck spricht frei, Baerbock mit Skript. Beides funktioniert, beides hat seinen Platz.


Wie bringen sie ihre Stärken zusammen? - Naja, es war ja wenig Zeit, hat Habeck eingangs erklärt. Zu wenig Zeit wohl, um aus dem Doppel einen gemeinsamen Auftritt zu formen.


Immerhin ist diese Rede kein Zweikampf. Ein Paartanz aber auch nicht. Allenfalls ein Staffellauf: Erst er, dann sie, dann er, dann sie und so weiter fort.


Am Ende gerät die Staffelübergabe zum Gerangel. Baerbock erklärt, dass sie zwei Wochen noch im Amt bleiben, will noch etwas verkünden - Habeck kann nicht anders als witzeln über die Vogelfreiheit, die ihnen diese zwei Wochen geben. Unterhaltsam, aber die letzte Botschaft geht darin unter.


Eigentlich ist dies keine gemeinsame Rede. Zwei Politiker reden über ihre Regierungsgeschäfte. Vorher und nachher stehen sie zusammen auf der Bühne. Eine gemeinsame Stimme haben sie nicht.

Immerhin: Die Rede lässt mich denken, mit wem ich eher ein Bier trinken würde und wem ich eher auf gefährlicher Mission vertrauen würde. Die Entscheidung fiele mir leicht. Das ist ja auch eine Erkenntnis.



Fazit: Funktioniert die große Rede als Duett?


Ja, wahrscheinlich, wenn:

  • Rednerin und Redner miteinander reden (nicht nach- oder nebeneinander)

  • Fragen und Antworten aus der Rede einen Dialog formen

  • eine Erzählung mit gemeinsamer Sprache und Bilderwelt entsteht

  • ein Vortrag argumentativ verwoben wird wie ein kunstvoller Zopf


Sie funktioniert nicht, wenn zwei Leute reden, ohne dass etwas sie eint. Dann funktioniert das Rede-Duett schlechter als zwei getrennte Auftritte - denn die beiden Stile unterbrechen einander, zerschneiden ihre Spannungsbögen und stören die Klangwelten. Eine große, eine “politische Rede” entsteht daraus nicht.


Wenn es so ist, dann seien wir lieber ehrlich: Besser getrennte Wege gehen - auch in der Rede.






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